Handlungssicherheit herstellen für die Schulen

Brief an Ministerin Gebauer zum Fahrplan zur Schulöffnung

Die letzten Wochen waren eine informationspolitische Achterbahnfahrt mit rasanten Kurven für die Schulen. In einem Brief an das Schulministerium fordert die GEW NRW jetzt langfristige Perspektive. Denn mit der 20. Schulmail stellte das Ministerium die Schulen vor eine „Herkules-Aufgabe“ wie die GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern formuliert.
Handlungssicherheit herstellen für die Schulen

Ohne Zweifel schlägt die Verunsicherung bei Lehrkräften, Schulleitungen und Schüler*innen längst in Frust um. Eine wertschätzende Kommunikation erfolgt nicht durch Schulmails am späten Abend oder durch Mitteilungen durch die Presse, wie Maike Finnern in ihrem Brief formuliert. Seit Wochen arbeiten Schulleitungen und Lehrkräfte an möglichen Öffnungsszenarien, deshalb – so mahnt die Landesvorsitzende – „wäre es das richtige Signal gewesen, den Schulen die nötige Zeit einzuräumen“, um die bisherigen Gedanken in Ablaufpläne gemäß den Schulmails zu überführen. Denn mit jeder Schüler*innen-Gruppe, die nun zusätzlich in die Schule kommt, wird der Planungsaufwand vervielfältigt. Hier nur vier Tage Vorbereitungszeit einzuräumen ist eine Farce. Insbesondere für die Grundschule ist die 20. Schulmail zu Corona viele Antworten schuldig geblieben. Besonders brisant erscheinen die Regelungen zum Offenen Ganztag: während an den weiterführenden Schulen der Mensa-Betrieb geschlossen bleibt, ist diese Frage für den Ganztag längst nicht gelöst. Offen bleiben auch Fragen nach Klassenarbeiten und Zeugnissen an den Grundschulen. Hier erwartet Maike Finnern schnelle und verlässliche Antworten.

Infektionsschutz ernst nehmen

Mit der Expertise von zwei neu erstellten GEW-Gutachten wendet sich die Landesvorsitzende auch in Puncto Hygiene an die Ministerin. Das Ministerium dürfe sich der Verantwortung für die Beschäftigten nicht entziehen. Maike Finnern mahnt die Verantwortungsdiffusion seitens des Landes an, denn so unterstreicht sie eine Kernaussage der Gutachten „Hygiene ist unteilbar“, das heißt, Hygiene kann nur als Ganzes gelingen. Sobald an einzelnen Stellen Hygienedefizite bestehen, besteht für alle Beteiligten kein hinreichender Infektionsschutz mehr. Deshalb muss die Landesregierung ihrer Verantwortung nachkommen und durch Bereitstellung von Schutzequipment und entsprechenden Richtlinien zur Organisation des schulischen Alltags dafür Sorge tragen, dass es zu keinem Zeitpunkt zu Defiziten im Infektionsschutz kommt. Für die ganzheitliche Hygiene ist die Landesregierung verantwortlich.

Prüfungen als bildungspolitische Götzen

Neben der hygienischen Situation an den Schulen fokussiert der Brief auch die pädagogische Dimension der aktuellen Bildungspolitik. Denn die Corona-Krise offenbart die eklatante Abhängigkeit des Bildungserfolgs von sozialer Herkunft. „Die Benachteiligung von ohnehin benachteiligten Schüler*innen potenziert sich“, so Finnern. Vielen stehen weder die nötige Ausstattung, noch die nötigen sozialen Unterstützungsressourcen bereit, um sich in Zeiten von Distanzlernen in hinreichender Weise, schulischen Aufgaben und der Prüfungsvorbereitung zu widmen. Aus Sicht der Landesvorsitzenden ist klar, das pädagogische Handeln muss im Vordergrund stehen und nicht Prüfungen. So berücksichtigt das Festhalten an den Prüfungen weder die ungleichen Möglichkeiten zur Prüfungsvorbereitung noch den enormen psychischen Stress für Lehrkräfte und Schüler*innen. Abgesehen von der Prüfungssituation, können all jene Schüler*innen, die nicht an den Prüfungen beteiligt sind, erst ab dem 26. Mai in die Schulen – Prüfungen werden also der Wiederaufnahme des Unterrichts vorgezogen.

Perspektive schaffen

Der bisherige Kommunikationsstil des Ministeriums kann in der Form nicht beibehalten werden. Deshalb fordert Maike Finnern schon jetzt eine Perspektive für die Zeit nach den Schulsommerferien zu schaffen. Unterricht in einer Prä-Corona-Form wird es sicher bis in den Herbst hinein nicht geben. Aus diesem Grund müssen jetzt Weichen gestellt werden, um die Schulen für die Planung des Unterrichts nach dem Sommer zu unterstützen: dazu gehören dienstliche Endgeräte für Lehrer*innen, Ausleih-Geräte für Schüler*innen sowie Unterstützung bei der Umsetzung von Distanz-Unterricht etwa durch Fortbildungsangebote. Letztlich müsse das große Anliegen sein, dass die durch Corona verursachte Bildungsungerechtigkeit sich nicht weiter verstärkt. Dazu ist eine frühzeitige und transparente Kommunikation seitens der Landesregierung bitter nötig.

Kenneth Rösen, Experte für Schul- und Bildungspolitik der GEW NRW